Junge Künstler Im Suermondt?
Junge Künstler im SürMond
Albert Borchardt
Nach knapp drei Jahren der
intensiven Bauzeit eröffnet das Neue
Suermondt-Ludwig-Museum seine durchgreifend renovierten und
erheblich erweiterten Räumlichkeiten an der Aachner
Wilhelmstraße. Fast sind die fröhlichen Jahre der
Interimswirtschaft im Alten Kurhaus der Bäderstadt
schon vergessen, in denen auf engstem Raum ein compact
Museum für die Sammlungen unterhalten wurde und dennoch
ein flotter Ausstellungsbetrieb vonstatten ging. Eine
Institution wuchs dort im Provisorium wie von selbst heran:
"Unter den Arkaden - Junge Künstler im
Suermondt-Ludwig-Museum" hieß eine Ausstellungsserie,
die aus einer Not entstanden war. Vier Schaufenster unter
dem Portikus des spätbarocken Gebäudes schienen
keiner Nutzung zuführbar. Die Idee, diese dem Publikum
am nächsten liegenden, öffentlichsten
Ausstellungsräume, ganz jungen Künstlern zur
freien Nutzung zu übertragen, war geboren. Rund zwei
Dutzend Künstlerinnen und Künstler haben die
Herausforderung angenommen. Hauptsächlich wurden
Installationen geschaffen, die mit dem Gebäude und der
Sammlung umgingen, andererseits hatten auch Skulptur,
Malerei und Photographie ihren Platz in den sehr
öffentlichen Vitrinen. Schließlich wurden die
Ausstellungen fast zum Selbstläufer, ein Künstler
gab das Konzept an den nächsten weiter. Und
unvergeßlich sind die Vernissagen, sommers wie winters
im Freien, unter den Arkaden, und ich durfte den wein und
das Bier servieren. Der Erfolg des Unternehmens "Unter den
Arkaden" ließ natürlich an die Fortsetzung im
Neuen Suermondt-Ludwig-Museum denken. Da lag es nahe, wieder
einen sehröffentlichen, ja unmusealen Raum als
Ausstellungslokal für die jungen Künstler
auszuwählen, einen Raum, der nicht nur dem
Museumspublikum, sondern auch für die zufällig
vorbeikommende Öffentlichkeit einladend schien. Wie
eine Vitrine, wie ein Schaufenster öffnet sich denn
auch die Fassade des Erweiterungsbaus zur
Wilhelmstraße, und im Erdgeschoß ist das
Restaurant/Café/Bistro, die genaue Eigenart steht
noch nicht fest, angesiedelt. Mit den Gastwirten wurde
über eine Ausstellungsserie gesprochen, die positive
Aufnahme der Idee war beiderseitig. Lange Überlegungen
allerdings verlangte der Name des Unternehmens. Er sollte
nach Museum klingen, aber nicht zu sehr, er sollte den
Aachenern vertraut scheinen, aber nicht nur diesen. So kam
der Name SürMond zustande, Umlaut und Nasalierung des
ersten Stifternamens paraphrasierend. Und hier im
SürMond soll der Ort für die jungen Künstler
sein, unprätentiös ihre Werke zu zeigen, sich
einem guten Publikum zu präsentieren, diese zu
erfreuen, und auch mal zu verstören; "Junge
Künstler im SürMond".
Albert Borchardt, der erste "junge
Künstler" im Neuen Suermondt-Ludwig-Museum - gerade
trifft auf ihn das Prädikat "junger Künstler" noch
zu - scheint, prima vista, mit seiner Arbeit niemanden
verstören zu können. Denn er ist ein sehr guter
Landschaftsmaler. Der dreiunddreißigjährige, der
bei Christiane Maether und Ulf Hegewald an der
Fachhochschule Aachen studiert hat, ist seiner Umwelt
biographisch intensiv verbunden. Ob in der schweren,
industrieumzingelten Umgebung des Haus Palant, dem barocken
Gutshof bei Eschweiler, auf dem er wohnt, ob in der flachen
Ebene des Niederrheins bei Ringenberg, wo er gerade
arbeitet, oder in und um Florenz, wo er 1990 Stipendiat der
Villa Romana war: Albert Borchardt läßt den Blick
ruhig und gemessen schweifen und gelassen ruhen, auf
Landschaft und auf Stadtschaft, den Unspektakulären
Ausschnitt bedenkend.
Ergebnisse dieses kontemplativen
Trachtens, das die Bewegung, sei es zu Fuß, sei es mit
dem Pferdewagen voraussetzt, sind kleinformatige
Gemälde, Acrylfarbe auf leinwandbezogener Pappe. Serien
von bis zu fünfundzwanzig Täfelchen werden zu
Blöcken oder Streifen zusammengefaßt. Verbindung
ist die einfarbige, zumeist rote, leichte Grundierung, auf
die plain air in Primamalerei mit breitem, trockenem Pinsel
die relativ unbunte Farbigkeit aufgetragen wird.
Es mag aus der Heimatsicht des
Künstlers resultieren, daß die niedrig angesetzt
sind, somit eine tiefreichende Perspektive erreicht wird.
Die Ruhe dieser Landschaften erfährt häufig eine
Akzentuierung durch Bezugspunkte, Haus, Baum, Baumgruppen,
wobei der Fixpunkt gelegentlich große Teile des
Formates einnimmt. Die Skizzenhaftigkeit der Malerei wird
durch die Reihung in Blöcken aufgehoben. Albert
Borchardt sucht gerne schwierige Wände für seine
Präsentation aus. Konkave oder konvexe Rundungen geben
dem entstehenden Gesamtbild noch eine eigene Dynamik, die am
ehesten der seitlichen Sicht aus einem fahrenden Zug
nahekommt, wo der Blick, immer wieder zurückspringend,
von der Fensteröffnung begrenzt wird.
Der zweite Arbeitsbereich Borchardts
gilt der großformatigen abstrakten Malerei. Hier
greift Borchardt wie in Details seiner Landschaften, schafft
monochrome Flächigkeiten von großer Ruhe und
Dichte. Und plötzlich verfliegt die scheinbare
Naivität der Täfelchen, wenn sie so mikroskopisch
beleuchtet werden. Die Farbflächen, ins Große
transponiert, geraten bedrohlich. Hier entsteht ein Effekt,
der in der Eingangsszene des Films "Blue Velet" schockierte:
Beim Schwenk durch einen Vorstadtrasen, wird selbst das
Insekt zum gefährlichen Ungeheuer.
Albert Borchardt ist in den Rahmen
einer neuen Landschaftsimpression zu setzen. Er betrachtet
nicht mit dem allegorisierenden Blick des 19.Jahrhunderts
die Licht- und Schattensituation und schwelgt in der von
Gott gegebenen Farbigkeit, sondern ihm ist die Bedrohung
seiner Mitwelt ein ernstes Anliegen. Seine Bilder sollen
nicht nur gefallen, sondern auch ein wenig nachdenklich
machen in ihrer Schönheit. Undsolches kann ja auch bei
einem zufälligen Besuch im SürMond nicht
schaden.
Dr.Ulrich Schneider, Direktor der Museen der Stadt Aachen,
1994
S. 6 u. 7 im Katalog:
Albert Borchardt, Malerei,
Suermondt - Ludwig - Museum, Aachen
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