"HOMO
VIATOR – DER MENSCH IST EIN PILGER"
Albert Borchardt,
Wanderung
auf den Jacobswegen
Vor
der Landschaft entstehen sehr schnell kleinformatige Bilder in Serie,
Ende offen. Die Motive findet Albert Borchardt praktisch überall,
was nicht heißt, dass er alles malt. Es sind
Bildausschnitte/Bildanschnitte, die seine sehr persönliche
Sichtweise einer Landschaft wiedergeben und sich dem touristischen
Blick entziehen und gerade deswegen für denjenigen, der sich in
dieser Landschaft bewegt und sich mit ihr verbunden fühlt bei
aller strengen Reduzierung wieder findet.
Sei
es die eigene Landschaft vor dem Atelier um Aachen, die norddeutsche
Tiefebene um Worpswede, die Weinberge in der Pfalz, die Sächsischen
Schweiz, Florenz, die Alpen in Südtirol, am Niederrhein, das
Donauried um Wertingen oder wo immer Albert Borchardt sich gerade
befindet, die Erfassung der Bilder geht einher mit einer sehr klaren
konzeptuellen Strategie.
Zuerst
wird Kartenmaterial geordnet, die Wege im Vorfeld genau geplant und
immer wieder abgelaufen um schließlich in kurzer Maldauer
notiert zu werden.
Die
Bildergebnisse werden installationsgleich in den Ausstellungsräumen
präsentiert und zeugen von Ordnung, Maß und
disziplinierter Strenge. Es ist ein Organisationsprinzip, das seinem
malerischen Ansatz die konzeptionelle Strategie zur Seite stellt. Das
Einzelbild wird kompatibel zu seinen Mitbildern, ohne dabei an
individueller und visueller Kraft einzubüßen. Es ist, als
wolle Albert Borchardt die strukturale Essenz seiner
Betrachtungsweise nach außen kehren und gleichzeitig dem
Betrachter einen Weg vorgeben, damit er sich in den Ausschnitten, in
den Fragmenten der gemalten Visionen nicht verliert.
So
ist es für Albert Borchardt, fast zwangsweise
selbstverständlich, sich den Jakobswegen zu widmen. Kommen diese
Wege doch seiner Arbeitsweise in gerade zu Idealerweise entgegen –
ein Netz von Verbindungswegen, Ideellerweise ein Netz, das den
Transfer von Ideen, von Kunst und Kultur zwischen den Regionen und
Nationen dient. An den Pilgerwegen lässt sich die
Kulturgeschichte Europas, der Gedankenaustausch und Transfer ablesen
und sind somit eine Kulturstraße par excellence,
sie sollen und können dazu beitragen, Entfernungen, Grenzen und
Sprachbarrieren zu überwinden.
Wer die Welt erfahren will,
muss sich den Wegen anvertrauen.
Im
Jahr 1987 veröffentlichte der Europarat eine Deklaration, in der
den Jakobswegen größte symbolische Bedeutung für die
Entstehung Europas beigemessen wird. Es wird dazu aufgerufen, diese
Wege mit wissenschaftlichen Mitteln zu erforschen, zu kennzeichnen
und zu pflegen, um diese bedeutende Kulturstraße Europas ins
Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
„Der
Mensch braucht Erde unter den Füßen, sonst verdorrt ihm
das Herz“, sagt Gertrud von le Fort in unsere Zeit hinein und
bringt uns auf das menschliche Maß unserer Bewegung zurück,
dem auch die Sinne folgen können.
So erwandert Albert
Borchardt seinen Weg nach Santiago de Compostela.
Wie
es seiner Arbeitsweise entspricht geht er nicht nur einen Weg einfach
entlang, er sucht sich verschiedene Ausgangspunkte, gleich wie es das
europäische Wegezeichen mit seinen Strahlen symbolisiert. Wege
durch Europa, die in ihrem Ziel Santiago de Compostela zusammen
laufen.
Nach
dem „Schwabenweg“ Ulm-Konstanz folgt nun der Wegabschnitt
quer durch NRW mit dem „Westfälischenweg“ und dem
„Rheinischenweg“. Der Weg der Jakobspilger folgt dem
historischen Hellweg und wird auf dem Weg Wuppertal-Aachen
weitergeführt.
Paderborn,
Geseke, Erwitte, Bad Sassendorf, Soest, Werl, Unna, Dortmund,
Hattingen, Essen und entlang der Ruhr dann Richtung Wuppertal und von
dort über Köln nach Aachen.
Die
Pilgerfahrt ins nordspanische Santiago de Compostela hat eine
Tradition, die bis in das Mittelalter zurückgeht. Seit der
Entdeckung des angeblichen Grabes des Apostels Jakobus d. Ä. im
9. Jahrhundert ziehen kontinuierlich Pilger aus ganz Europa nach
Gallizien. Seit dem 10. Jahrhundert sind Pilger aus Deutschland, nach
bisherigen Forschungsstand seit dem 12. Jahrhundert auch aus
Westfalen bekannt.
Der
Hellweg, ursprünglich unter Karl dem Großen eine wichtige
Versorgungsverbindung bei der Eroberung Sachsens, war nicht nur eine
Handelsroute, die von Kaufleuten bereist wurde, sondern auch von
Pilgern aus dem Norden.
Heute
laufen am ehemaligen Hellweg zwei wichtige Fernstraßen entlang
und wir treffen zwischen Paderborn und Dortmund häufig auf den
Namen Hellweg, der an die wichtige Straßenverbindung in
Westfalen erinnert.
Der
Wanderweg wird zum Pilgerweg, wenn wir unsere Sinne öffnen und
im ruhigen Voranschreiten alles in uns aufnehmen, an dem wir
vorüberziehen.
Ergebnisse
der Wanderung werden unter dem Titel „Westfälischer
Jacobsweg - Paderborn – Hattingen“ in der Galerie da
entlang in Dortmund ab dem 27. Juli bis zum 17. August gezeigt.
1961
geboren in Hitzhof/Siegkreis | 1983-89 Studium an der Fachhochschule
Aachen | 1990 Villa Romana-Preis,
einj. Aufenthalt in Florenz und
weitere Stipendien, Preise und Ausstellungen | ab 2007 Wanderungen
durch Europa entlang der Jacobswege nach Santiago de Compostela.
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